Die Obstsaison 2017 oder: Der Frust mit dem Frost

2017 war für alle Kulturen im Obst-, Wein- und Gartenbau ein Jahr mit sehr ungleichmäßigem Vegetationsverlauf: Der März und Anfang April waren viel zu warm und zu trocken, ab Mitte April dann deutlich zu kalt mit den verheerenden Frostnächten für den Wein- und Obstbau. Im Mai und Juni dann wieder sommerliche Temperaturen, aber auch Hagel und Starkregen. Und dann wieder ein zu nasser Juli mit Starkregen, Hagel und Überschwemmungen. August und September mal wieder sommerlich und im Herbst war kaum was von einem „goldenen Oktober“ zu sehen.

Der warme Frühjahrsbeginn sorgte für einen etwa 14-tägigen Vegetationsvorsprung, dem die Aprilfröste dann ein jähes Ende bereiteten. Die Frostnächte vom 19. auf den 20. April mit Temperaturen bis zu -7°C und vom 23. auf den 24. April mit bis zu -4°C haben im Bereich der Landeshauptstadt Stuttgart zu massiven Schäden im Obst- und Weinbau geführt. Da bei vielen Obstgehölzen die Blüte bereits durch war, wurden diese in einem sehr empfindlichen Stadium „eiskalt erwischt“. Denn die jungen Früchte sind sehr viel frostempfindlicher als die eigentliche Blüte. Das im Anschluss an die Frostnächte herrschende nasskalte Wetter gab dann den zum Teil noch nachkommenden Blüten den Rest.

Im Beerenobst wurden Stachelbeeren und Heidelbeeren stärker getroffen, hier waren etwa 50% Ertragsverlust zu beklagen. Der Ausfall bei Johannisbeeren zeigt sich sehr unterschiedlich, aber es kam zum „Verrieseln der Träuble“, d. h. viele Beeren fielen ab, so dass nur wenige einzelne Beeren noch dran waren. Dazu kam dann bei der Reife der Beeren noch ein massiver Vogelfraß. Ebenso wurden Himbeeren und Brombeeren stark geschädigt. Der Schaden zeigte sich aber erst zu Beginn der Ernte so richtig: Die Austriebe, an denen die Beeren eigentlich reifen sollten, wurden braun und starben ab. Die Leitungsbahnen wurden beim Frost so geschädigt, dass bei Hitze die Wasserversorgung zur Verdunstung und damit zur Kühlung der Blätter nicht mehr ausreichte, geschweige denn zur Versorgung der Früchte.

Bei den Erdbeeren konnten die mit Vlies oder Folie abgedeckten Bestände den frostigen Temperaturen noch halbwegs standhalten. Doch alle Blüten, die über das schützende Laubwerk hinausschauten, waren schwarz. Dagegen waren meist die Blüten im unteren Bereich bzw. in Bodennähe noch intakt, oder es bildeten sich noch genügend neue Blüten, so dass der Ertragsausfall bei späten Sorten nicht ganz so groß war.

Beim Baumobst hingegen war das Schadenausmaß katastrophal. Es gab einem Totalausfall bei Pfirsichen, Aprikosen, Zwetschgen und Kirschen. Nur einzelne Bäume in späteren Lagen und mit späterer Blüte brachten noch (zumindest etwas) Ertrag. Beim Kernobst gab es leere Apfel- und Birnbäume statt Vollertrag und viele Blätter statt vieler Früchte. Und die paar Früchte, die noch an den Bäumen hängen blieben, hatten entweder Schalenschäden, bekamen zu allem Übel auch noch Hagel ab oder wurden von Vögeln auf Futtersuche angepickt.

Doch die Ertragsausfälle trafen auch noch andere: In Baden-Württemberg gab es mit 100.000 Tonnen eine historisch kleine Apfelernte, manche Region – egal ob mit Streuobst oder Erwerbsanbau – konnte quasi als „Apfel-freie-Zone“ bezeichnet werden. Die Erntemengen lagen bei Süßkirschen um 80%, bei Sauerkirschen um 40% und bei Zwetschgen um 60% niedriger als im Schnitt der letzten Jahre. In Deutschland waren neben Baden-Württemberg besonders Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Hessen betroffen. Im nördlichen Teil der Republik war die Vegetation noch nicht so weit voraus. Einzig durch eine Frostschutzberegnung konnten Schäden verhindert werden. Insgesamt gab es deutschlandweit eine um 46% kleinere Apfelernte. Auch im übrigen Europa gab es Schäden, besonders betroffen waren der Benelux-Raum und Nordfrankreich, aber auch der Osten – hier kam der Frost Anfang Mai. So fiel die Apfelernte in der EU um rund 20% kleiner aus.

Ob man bei den Frosteinbrüchen im April von einem „Jahrhundertfrost“ sprechen kann, werden die nächsten 82 Jahre zeigen. Ein solches Schadenausmaß ist mir jedenfalls in meinen 30 Jahren im Beruf noch nicht untergekommen, selbst 1991 gab es noch genügend Ertrag. Fest steht aber, dass solche außergewöhnlichen Kalamitäten, wie sie in den letzten Jahren schon gelegentlich auftraten, in Zukunft eher häufiger sein werden.

Andreas Siegele
Obstbauberatung der Stadt Stuttgart